Von Überschuldung ist immer dann zu sprechen, wenn Unternehmen oder Privatpersonen ihren Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen können – und auch keine Besserung in Aussicht steht. Wir zeigen, wann der Fall der Überschuldung aus rechtlicher Sicht eintritt und welche Auswege es für Verbraucher gibt.
Inhaltsverzeichnis
Das Wichtigste in Kürze
- Überschuldung besteht dann, wenn Schulden die Vermögenswerte bzw. das Einkommen übersteigen
- Bei Privatpersonen entsteht Überschuldung oft durch Raten- und Rechnungskäufe
- Im unternehmerischen Umfeld zeigt ein negatives Eigenkapital die Überschuldung an
- Schuldnerberatungen bieten Wege aus der Überschuldung
- Führt kein Weg aus der Überschuldung, so droht die Insolvenz
Wann ist ein Privathaushalt überschuldet?
Schulden einzugehen, ist insbesondere in der heutigen Zeit und einem anhaltenden Niedrigzinsumfeld zunächst nichts Ungewöhnliches. Vor allem verlockende Niedrigzins-Angebote und Ratenkäufe führen dazu, dass sich einige Verbraucher mehr leisten, als sie eigentlich bezahlen können. So bleibt es nicht aus, dass in den letzten Jahren immer wieder viele Menschen in Schuldenfallen tappen, aus denen schwer heraus zu kommen ist. Nehmen die Schulden ein außergewöhnliches Maß an, so hat die deutsche Sprache auch für diesen scheinbar ausweglosen Zustand einen Begriff geschaffen: die Überschuldung.
Vor einer „Überschuldung“ oder auch Zahlungsunfähigkeit wird dann gesprochen, wenn die verschuldete Person mehr Verbindlichkeiten angehäuft hat, als mit dem eigenen Vermögen und Einkommen gedeckt werden kann. Dieser Zustand scheint den Betroffenen auch ausweglos, sodass sie über sich keine finanzielle Kontrolle mehr haben oder haben wollen. So drehen sie sich immer weiter in einer Schuldenspirale.
Wichtig: Doch selbst dann, wenn ein überschuldeter privater Haushalt scheinbar ausweglos zahlungsunfähig ist, bedeutet das noch nicht, dass er in eine Privatinsolvenz gehen muss.
Ab wann ist ein Unternehmen (bilanziell) überschuldet?
Nicht nur Privatpersonen können Schulden anhäufen und in eine unkontrollierte Schuldenfalle geraten. Auch bei Unternehmen gibt es eine Überschuldung, die rechtlich klarer definiert ist als bei Privatpersonen. Demnach liegt gemäß § 19 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) eine Überschuldung genau dann vor,
„wenn das Vermögen des Schuldners (des Unternehmens) die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.“
Zunächst wird aus einer aktuellen Bilanz die sogenannte bilanzielle Überschuldung bzw. buchmäßige Überschuldung ermittelt. Ein Beispiel für eine bilanzielle Überschuldung:
Aktiva | Passiva |
---|---|
|
|
Bilanzsumme 5.000.000 Euro | Bilanzsumme 5.000.000 Euro |
Eine bilanzielle Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen (siehe Beispiel: 5.000.000 €) nicht mehr die Schulden (Bankdarlehen in Höhe von 5.500.000 €) abdecken kann. Das Eigenkapital ist somit negativ.
Hinweis: Überschuldungsbilanz
Auf Basis einer Überschuldungsbilanz kann weiter ermittelt werden, ob eine Überschuldung tatsächlich vorliegt. Sind bei negativer Fortführungsprognose die Verbindlichkeiten größer als das vorhandene Vermögen, müssen Kapitalgesellschaften den Antrag auf Insolvenz stellen. Bei der Überschuldungsbilanz dürfen zu den Aktiva und Passiva nicht die Werte der Handels- oder Steuerbilanz (Buchwerte) genommen werden. Es sind stattdessen Liquidationswerte zu verwenden.
Ursachen für die private Überschuldung
Eine Überschuldung private Verbraucher kann viele Ursachen haben. Vielfach treten sie plötzlich auf und scheinen zunächst nicht beherrschbar. Die häufigsten Gründe für eine Überschuldung sind:
- Berufsunfähigkeit
- längere Krankheit mit Arbeitsunfähigkeit
- folgenreicher Unfall
- Verlust des Arbeitsplatzes
- längerfristiges Niedrigeinkommen
- Scheidung, Trennung oder Tod des Partners bzw. der Partnerin
- Smart- und Mobilphone-Tarife
- unterschätzte Kredit- oder Nebenkosten (Verbraucher- oder Baukredite)
- Dispositionskredit mit wachsenden Zinsforderungen
- teure oder luxuriöse Lebens- und Haushaltsführung
Hinzu kommen unerwartete Wertverluste, die private Haushalte bei ihren Vermögensanlagen in Immobilien oder Wertpapieren erleiden. Neben den Einkommensverlusten sind dann auch gravierende Schuldenrisiken gegeben.
Nicht zuletzt ist das allzu oft in der Verbraucherwerbung angepriesene Konsumverhalten nach dem Motto „Kaufe jetzt und zahle in drei Monaten” verhängnisvoll: Diese Werbebotschaften verleiten private Haushalte in gefährliche Schuldenfallen. Denn die können drohen, wenn sie glauben, sich etwas hier und heute leisten zu können – aber dann Monate später feststellen müssen, dass das eigene Gehalt oder Einkommen alles andere als sicher ist.
Ursachen für die unternehmerische Überschuldung
Oft ist die Gründung eines Unternehmens nur mit hohen Investitionen zu erreichen, die beispielsweise für Maschinen, Mitarbeiter oder Lizenzen benötigt werden. Wenn das Eigenkapital und andere private Geldgeber nicht da sind, liegt es nahe, das eigene Unternehmen mit einem Kredit zu finanzieren. Verhängnisvoll wird es dann, wenn das geplante Geschäft und nötigen Kunden ausbleiben. Schnell drücken dann diese Kosten sowie der Zins und Zinseszins die Unternehmenszahlen in den roten Bereich.
Aber auch Unternehmen mit langer Tradition kommen immer wieder zum Beispiel bei unerwartet wegbrechenden Absatzmärkten in finanzielle Schieflagen. Auch technologische Veränderungen, staatliche Regulierungen oder ruinöser Preis- und Verdrängungswettbewerb sind klassische Schuldenursachen im Unternehmenssektor, wenn das Management nicht rechtzeitig betrieblich reagiert. Eine mögliche Ursache kann auch sein, dass Unternehmen sich bereits in einer schwierigen Marktlage neu aufstellen wollen und zur Finanzierung der in die Zukunft gerichteten Investitionen weitere Kredite aufnehmen. Erfüllen sich wider Erwarten die Hoffnungen auf die neuen Geschäftsfelder oder Märkte nicht, bleiben sogar wichtige Aufträge aus oder kommen Kunden ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nach, kann es für das Unternehmen finanziell eng werden.
Was passiert bei einer Überschuldung oder Insolvenz?
Private Schuldner
Tritt der Fall der Überschuldung ein, schwinden zunächst die finanziellen Mittel des Schuldners:
- Um offene Verbindlichkeiten zu decken, nehmen viele Verbraucher neue Kredite auf oder überziehen ihr Bankkonto.
- Dadurch ergeben sich jedoch neue finanzielle Löcher, die gestopft werden müssen.
- Durch Zinsen und Zinseszinsen wächst der Schuldenberg schneller, als er abbezahlt werden kann.
- Gläubiger leiten Mahnverfahren ein und können schließlich eine Zwangsvollstreckung erwirken.
- Deckt auch diese die offenen Verbindlichkeiten nicht, sollte der Verbraucher das Verfahren zur Privatinsolvenz einleiten.
Im Rahmen der Privatinsolvenz muss der Schuldner über einen Zeitraum von sechs Jahren hinweg weiter Schulden tilgen – im Rahmen seiner Möglichkeiten. Sprich: Ihm bleibt ein Teil seines Einkommens, das nicht pfändbar ist. Nach den sechs Jahren ist er dafür schuldenfrei, unabhängig davon, wie viele Schulden getilgt worden sind.
Überschuldete Unternehmen
Auch bei einem Unternehmen führt eine Überschuldung zu ähnlichen Notlagen und einer akuten Gefährdung der Existenz. Und so wird in einem Unternehmen festgestellt, ob eine Überschuldung gegeben ist:
- In der Regel wird zunächst als erster Schritt über die Bilanz eine Überschuldung ermittelt.
- Sollte daraus erkennbar sein, dass die Schulden nicht mehr von den bilanziellen Vermögenswerten gedeckt sind, geht es zum nächsten Schritt: Es wird eine spezielle Überschuldungsbilanz daraus erstellt. In diesem Fall sind insbesondere Wirtschaftsprüfer gefragt: Mit ihrer Hilfe kann das Unternehmen sich ein fundiertes Gutachten erstellen lassen, mit welchem die tatsächliche Überschuldung ermittelt wird.
- Fazit eines solchen Gutachten ist es in der Regel auch, ob es eine sogenannte Fortführungsprognose gibt und wie sie lautet. Danach wird beurteilt, ob und wie hoch noch die Chancen sind, dass das Unternehmen aus der Überschuldung geführt und saniert werden kann.
Geht allerdings die Überschuldung mit einer Zahlungsunfähigkeit einher, muss per Gesetz spätestens drei Wochen danach ein Insolvenzantrag gestellt werden. Betroffene Unternehmen, die nicht dieser Pflicht nachkommen, machen sich der sogenannten Insolvenzverschleppung schuldig. Dies ist neben dem Bankrott ein Straftatbestand.
Was kann ich gegen eine Überschuldung tun?
Der erste persönliche und wichtigste Schritt ist für jeden privat Überschuldeten die Selbsterkenntnis: Es sollte Ehrlichkeit zu sich selbst bestehen und natürlich das Problem nicht bagatellisiert werden. Auch das andere Extrem, den Kopf in den Sand zu stecken und alle unangenehmen Gläubigerforderungen oder Mahnungen unbeachtet „abprallen“ zu lassen, verschlimmert die Lage nur noch mehr.
Trotz allem sollte der kühle Kopf bewahrt werden: Mit einem genauen Überblick, welche Einnahmen und Ausgaben in welcher Zeit auflaufen, ist schon der erste Schritt zu einer Verbesserung gemacht. Der nächste wäre, einen Schuldenübersichtsplan zu erstellen. Hier müssten die vorhandenen Schulden nach folgenden Aspekten eingeordnet werden:
- Datum und Frist der Forderungen
- Herkunft der Forderung (zum Beispiel Ratenkredit, Dienstleistungsvertrag, Abonnements etc.)
- Höhe der Forderung
Danach heißt die erste, aktive Maßnahmen gegen die Schulden: Ausgaben senken und Einnahmen erhöhen. Konsequent sollte nun das eigene Ausgabenverhalten auf den Prüfstand:
- Lässt sich der geplante Urlaub verschieben?
- Können die Kosten für das Handy oder Smartphone deutlich gesenkt werden?
- Geht es auch ohne Restaurant- und Gaststättenbesuche?
- Kann das teure Auto durch eines mit weniger Kraftstoffverbrauch und laufenden Kosten ersetzt werden? Muss es überhaupt ein Auto sein?
- Geht es bei der Bekleidung auch ohne teure Markenartikel?
- Kann auf teures Rauchen oder Alkoholkonsum verzichtet werden?
- Wo ist der Kauf bei Discountern noch möglich?
- Und wenn möglich alles ohne Kreditkarte!
Tipp: Daneben sollten solch alltägliche Dinge wie unnötige Autofahrten, die sich auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder per Fahrrad erledigen lassen, eingeschränkt werden. Es sollte keine Tabus geben: entbehrliche Mitgliedschaften (Vereinsbeiträge) oder Abonnements von Zeitschriften gehören ebenso auf die Kosten-Streichliste.
Auf der anderen Seite sollten neue Einkommensquellen erschlossen werden. Praktisch heißt das zum Beispiel, ob nicht bei der Arbeit durch Prämien, Überstunden oder Zusatzhonorare noch mehr verdient werden kann. Vielleicht ist auch noch eine weitere, bezahlte Tätigkeit möglich. Möglich, dass sich mit all diesen Maßnahmen schon recht bald die finanziell zugespitzte Lage wieder entspannt.
Wenn allerdings sämtliche Versuche scheitern, eine dauerhafte Überschuldung abzuwenden oder die Überschuldung abzubauen, bleibt oft als letzte Alternative nur noch die Privatinsolvenz. Diesen Weg geht der Schuldenberater mit dem Schuldner aber nur, wenn viele Gründe dafür sprechen. Denn die Privat- oder Verbraucherinsolvenz ist mit vielen harten Konsequenzen und Einschnitten für den Schuldner verbunden.
Wer bietet Hilfe bei einer Überschuldung?
Wenn sich private Haushalte wie auch einzelne Unternehmen in einer Überschuldung befinden, bieten verschiedene Einrichtungen und Anlaufstellen professionelle Hilfe an.
Private
Sollte es Überschuldeten nicht mehr möglich sein, mit Ausgabensenkungen oder Einnahmesteigerungen aus der Schuldenfalle herauszukommen, können private Haushalte zu einer Schuldnerberatungsstelle gehen. Dabei sind drei verschiedene Arten von Beratungsstellen aktiv:
Beratungsstelle | Beschreibung |
---|---|
Öffentliche Schuldnerberatungsstellen | Sie sind insbesondere bei sozialen Einrichtungen, wie zum Beispiel der Diakonie, Caritas oder Arbeiterwohlfahrt zu finden. Dort ist in der Regel die Beratung kostenlos. Allerdings gelten dafür bestimmte, sehr niedrige Einkommensgrenzen, wie zum Beispiel in Höhe ALG I, ALG II, Hartz IV, die nicht überschritten werden dürfen. Dann werden die Beratungskosten auf Antrag aus öffentlichen Mitteln gezahlt. Nicht selten sind dort aber auch längere Wartezeiten für einen Termin einzuplanen. |
Private Beratungsstellen | Private Beratungsstellen von Vereinen und Verbänden, die gegen ein Honorar oder zu festen Kostensätzen zur Verfügung stehen. |
Schuldnerberatung durch Rechtsanwälte | Hier sollte ein möglicher und nicht unerheblicher Kostenvorschuss eingeplant werden. Das fällige Honorar der beratenden Rechtsanwälte orientiert sich am Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Mit einem Beratungsschein können aber auch hier die Kosten von der öffentlichen Hand übernommen werden. |
In einer meist kostenlosen Erstberatung werden insbesondere öffentlich geförderte Schuldnerberatungsstellen zunächst diese Informationen geben:
- wann und inwieweit der Staat die Kosten für die Schuldnerberatung übernimmt
- mögliche Wege einer Schuldenregulierung
- erster Überblick und Sortierung vorgelegter Gläubigerforderungen
- Fakten zum Verbraucher-Insolvenzverfahren und der Restschuldbefreiung
In weiteren Terminen und Gesprächen werden erfahrene Berater nach eingehender Analyse versuchen, strategisch vorzugehen und auf dem Weg der Senkung von Ausgaben oder mit Hinweisen auf mögliche Einnahmeverbesserungen eine gemeinsame Lösung anzustreben. Wenn damit kein Weiterkommen gelingt, wird der Schuldnerberater mit seinen Beziehungen, seiner persönlichen Autorität und den langjährigen Erfahrungen Gläubiger gezielt ansprechen: Vor allem, um diese dahin zu bewegen, ihre Konditionen eventuell im Interesse des Überschuldeten zu verändern. Vielleicht lässt sich so erreichen, dass die Kreditrate gesenkt oder die Schulden teilweise erlassen werden. Das Ziel: Die weitere und sichere Tilgung des Kredits in moderaten Raten.
Unternehmen
Besonders auf Überschuldungen und Insolvenzfälle spezialisierte Rechtsanwälte sowie Berater bieten Unternehmen in entsprechenden Situationen kompetente Hilfen an. Denn für die in akute finanzielle Notlagen geratene Betriebe stellt sich die Schicksalsfrage: Soll das Unternehmen
- saniert,
- verkauft oder
- aufgegeben werden.
Dabei wird die Überschuldungssituation genau geprüft, einschließlich des Grades bestehender Zahlungsunfähigkeit. Damit soll (bei Kapitalgesellschaften wie der GmbH) vorab geprüft werden, ob nicht schon Pflicht zum Antrag auf Insolvenz bei einer Deckungslücke über 10 Prozent besteht. Eventuell besteht nach Abklärung der Voraussetzungen bei einer möglichen Sanierung die Chance, mit einem Schutzschirmverfahren das Unternehmen unter Gläubigerschutz weiter zu führen.